Der Weg des Bogens ist der Weg zu sich selbst
Entwicklung von Konzentration, Gelassenheit und persönlicher Reifung
Es wird viel von der Reizüberflutung gesprochen, die uns von dem ablenkt, was wir wirklich wollen.
Das sportlich eingesetzte Bogenschießen wird im hochgeschätzten olympischen Geist des „schneller, höher, weiter“ vollzogen und dient dem Vergleich und Wettkampf mit anderen. Es besteht wesentlich aus Rivalität im Wettbewerb und strebt äußere Anerkennung in Form von Punkten und Graden. Damit fördert es letztlich Überheblichkeit und es bleibt unausweichlich im Vordergründigen stehen.
Der Weg des Bogens ist weit über das sportliche Bogenschiessen hinaus eine uralte Übung zur Entwicklung von Konzentration, Gelassenheit und persönlicher Reifung.
Der Bogenweg wurde im indischen Yoga und im antiken China im Geist des Dao in über 2000 Jahren entwickelt. Er hat sich unter dem Einfluss des Konfuzianismus in China sowie im Geiste des Shintô und Zen in Japan weiterentwickelt.
- Dhanur-Veda, Wiethase-Verlag 1988/ 2010
- Schmidt, A: Das Dao des Bogens. Kyudo als spiritueller Weg. Wien, 2016
- Konfuzius, Wilhelm R. (Übers.) Li Gi: Das Buch der Riten, Sitten und Gebräuche. Düsseldorf, Diederichs 1981
- Leopold, D.: Shintô in der Kunst des Bogenschiessens, Wien 2009
- Chikurin-bo Josei: Shikan no Shô. Übertragen in modernes Japanisch von Takeda K.: Shikan no shô: Kyûdô no genten, Ôsaka: Fûeisha, 2014. Deutsch Alfred Schmidt (Hrsg), Patrick Hiehs (Übers.) Wien 2018
Verschiedene Ansätze und Abläufe beim Bogenschiessen
Im Bogenschiessen gibt es verschiedene Bogentypen und Stilarten, z. B. Langbogen, Blankbogen, Recurvebogen, Reflex-Deflexbogen oder Compoundbogen; sie alle haben ihren eigenartigen Funktions-Charakter, mit dem der Bogenschütze sich vertraut machen muss: Welcher Bogentyp entspricht meiner Persönlichkeit, meinen Bestrebungen und Zielen?
Der Umgang mit Pfeil und Bogen erscheint vordergründig als rein körperliches Geschehen; es ist jedoch im besten Sinne psycho-somatisch, weil es immer gleichzeitig – doch immer auch gewichtet – die Bereiche des Biologischen, des Psychischen und des Sozialen berührt und unter besonderen Bedingungen auch in transpersonale Bereiche führen kann. Daher sollte ein ausgewogenes Training alle Bereiche je nach ihrer Bedeutung für die Zielsetzung der jeweiligen Person berücksichtigen. Hierzu gehört in erster Linie die Freude am Tun, damit die technischen Fertigkeiten und koordinativen Fähigkeiten für das Bogenschiessen spielerisch erlernt werden können, wie wir es erstmals als Kinder erfahren haben.
Zum systematischen Bogentraining gehören eine reflektierte Trainingsmethode und ein dem Körperbau, der Persönlichkeit und der Zielsetzung angepasster Trainingsplan.
Verschiedene Ansätze und ihre Abläufe
Der Ablauf der Übungseinheiten enthält z. B. die Aufwärmübungen für die Vorbereitung des Körpers, den Trainingsaufbau und die Wiederholungen und Anleitungen für mentales Training und Motivationsentwicklung. Wichtige Hilfsmittel sind z. B. das persönliche Trainingsbuch und die schriftliche Darstellung des individuellen Trainingsvorhabens, des Schussablaufes und des Erlebens.
Bogenschiessen – aus regelmäßiger Praxis zum spirituellen Weg
Als regelmässige „Übung im Alltag“ (Dürckheim, 1966) kann Bogenschiessen zur Meditation im Tun führen und zu einer spirituellen Praxis werden.
“Das Schwerste ist, ein Übender zu werden.“ (Karlfried Graf Dürckheim)
Wenn es gelingt, aus dem gelegentlichen achtsamen Umgang mittels Pfeil und Bogen ein regelmässiges Üben entstehen zu lassen, gewinnt die Bogenmeditation zunehmend an Tiefe und die übende Person wird mit der Frage konfrontiert, ob sie sich auf die Zunahme an Routine und Perfektionierung von Fertigkeiten beschränken will oder ob sie an jede neue Übung und an jeden neuen Pfeil mit frischem Mut, neuer Kraft und unvoreingenommener Achtsamkeit herangeht.
In regelmässiger Wiederholung dieser meditativen Praxis wird es möglich, über die vertiefte persönliche Erfahrung hinaus auch Zugang zu Überpersönlichem zu finden. Damit wird aus der meditativen Praxis eine spirituelle Be-Wegung, ein geistlicher Übungswegim ursprünglichen Sinne des Dao.